Judith Haudum
26.1.2024

Kohlenhydrate sind der am besten untersuchte Nährstoff im Sport. Kein anderer Nährstoff wurde so viel und unter so vielen Aspekten untersucht wie die Kohlenhydrate. Und dennoch gibt es noch viele Fragen zur Rolle und zum bedarf der Kohlenhydrate. Die Meinungen in der Bevölkerung sind dazu zum Teil sehr unterschiedlich. In der Sporternährung sind sich Experten seit den 1960ern einig. Wer viel und hart trainiert, der braucht viele Kohlenhydrate. Damals wurde in den ersten, ganz einfachen Experimenten beobachtet, wie sich die Leistung von Menschen unterscheiden, die viel oder wenig Kohlenhydrate aufnehmen. Wer wenige Kohlenhydrate isst, der ermüdet schneller und kann intensive Belastungen nicht so lange umsetzen wie jemand, der mehr Kohlenhydrate zuführt. Im Laufe der Jahre haben Forscher auch erkannt, wie sich die Kohlenhydratzufuhr während der Belastung auf die sportliche Leistung auswirkt. So wissen wir heute, dass mit zunehmender Belastungsdauer die Zufuhr von Kohlenhydraten wichtig ist und besonders bei intensiven, wiederkehrenden Belastungen die Zufuhr von Kohlenhydraten positive Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit hat.

Seit den 1990 wissen wir, wie sich Glykogenspeicher auf die Leistung auswirken

Coyle und seine Kollegen erkannten in den 1990ern in damals sehr fortschrittlichen sportwissenschaftlichen Studien, was Bewegung mit unseren Kohlenhydratspeichern (Glykogen) macht und was passiert, wenn diese immer leerer werden. Auf diesen Erkenntnissen baut auch die heutige Sporternährung noch auf, auch, wenn wir mittlerweile viel mehr wissen. Über die Jahre hat sich das Wissen über die Kohlenhydrate stark verbessert. Da wäre zum einen die Gesundheit… Auf der einen Seite sehen wir in vielen Fällen, was zu viele einfache und nährstoffarme Kohlenhydrate mit unserem Körper machen (u.a. chronische Erkrankungen), auf der anderen Seite haben wir auch sehr viele wertvolle Daten zu nährstoffreichen, gesundheitsfördernden Kohlenhydraten aus vorwiegend vollwertigen, nährstoffreichen Sorten. Neben der Gesundheit gibt es aber auch noch den Sport und dort spielen Kohlenhydrate eine wichtige Rolle. Sie sind bei moderat bis intensiven Belastungen der Hauptenergielieferant für die menschliche Muskulatur. Dazu ist auch unser Gehirn ein Liebhaber von Kohlenhydraten und verbraucht täglich ca. 120 g Kohlenhydrate. Das bedeutet an manchen Tagen, an denen wir uns nicht viel bewegen, dass das Hirn den Großteil der aufgenommenen Kohlenhydrate verbraucht. Tatsächlich berücksichtigen die Empfehlungen für die tägliche Kohlenhydratzufuhr an Ruhetagen genau diesen Bedarf (3-4 g/kg/d).

Im Sport geht's aber nicht nur ums Gehirn, sondern vor allem um die Energiezufuhr für die Muskulatur. Der Bedarf kann an intensiven Trainingstagen sehr hoch sein und Riegel, Gels, Getränke helfen uns dabei, den Bedarf zu decken. Sie sind gewöhnlich konzentrierte Kohlenhydratquellen und machen es Athlet:innen einfacher, die großen Mengen während der Belastung zu erreichen. Große Mengen, das sind dann 60 bis 90 g/h - Bereiche, die viele Athlet:innen laut wissenschaftlichen Untersuchungen oft nicht erreichen. Für manche scheinen geringere Mengen wie 30-40 g/h bereits "viel", dabei sind das in Wahrheit keine großen Mengen und häufig auch zu wenige Kohlenhydrate. Die Zahl 30 scheint viel, ist aber eigentlich sehr wenig, wenn's um die Menge an Kohlenhydraten geht. Sie ist definitiv zu wenig, wenn man intensive Belastungen mit Energie versorgen will. Und sie ist zu wenig, wenn man bedenkt, wie viele Kohlenhydrate der menschliche Körper bei intensiven Belastungen verbraucht.

Low Carb folgt auf High Carb

Die aktuellen Empfehlungen für längere intensivere Belastungen sind bis zu 90 g Kohlenhydrate pro Stunde. Untersuchungen zur Absorptionsrate von unterschiedlichen Kohlenhydraten liegen diesen Mengen zugrunde. In manchen Fällen sind sogar an die 120 g/h sinnvoll, auch diese Menge kann unser Körper nach neueren Untersuchungen noch aufnehmen. Da aber in den 1990ern und frühen 2000ern aufgrund der Erkenntnisse aus der Kohlenhydratforschung die Kohlenhydrate stark im Vordergrund standen und scheinbar immer große Mengen empfohlen wurden, kam es zu einem neuen Trend, dem Reduzieren von Kohlenhydraten und dem Low Carb im Sport. Plötzlich haben viele Athlet:innen begonnen, die Kohlenhydrate zu reduzieren, manchmal auch komplett zu meiden. Häufig war mit der kohlenhydratarmen Ernährung auch der Wunsch nach einem geringeren Körpergewicht verbunden. In den letzten 15 Jahren drang aber auch der Wunsch einer verbesserten Fettverbrennung immer mehr in den Vordergrund. So gibt es mittlerweile viele, die ständig die Fettverbennung trainieren wollen und ständig mit niedriger Kohlenhydratzufuhr durch den Alltag gehen.

In der ersten Phase der Ernährungsumstellung kommt es meist zu einem deutlichen Gewichtsverlust. Der ist einfach erklärt und hat nichts mit Fettverlust zu tun. Manche Menschen verlieren 3-5 kg in der ersten Woche. Viel Glykogen, das aufgrund der ausbleibenden Kohlenhydratzufuhr nicht mehr aufgefüllt wird, und viel Wasser, das sonst mit dem Glykogen gespeichert wird. Dennoch motiviert der Gewichtsverlust und manche gehen dann noch einen Schritt weiter, reduzieren die Kohlenhydrate noch mehr - für weiteren Gewichtsverlust. Die Annahme, Kohlenhydrate machen dick, das viel zu zentrale, permanente Ziel der verbesserten Fettverbrennung und die damit einhergehenden Unterversorgung des Körpers von Athlet:innen hinterlassen allerdings Spuren.

Fuelling performance

Der Körper macht das nur für eine bestimmte Zeit mit, dann beginnt er zu schwächeln. Diese 30 g/h an Kohlenhydraten in einer Einheit beispielsweise sind für jene, die Low Carb unterwegs sind, meist noch immer zu hoch und sie gehen daher noch tiefer mit der Zufurh. Dabei sind 30 g/h ja quasi nichts....dazu zu wenige Kohlenhydrate tagsüber…tatsächlich geht diese niedrige Kohlenhydratzufuhr oft mit einem deutlichen Energiedefizit einher. Neuere Erhebungen belegen, dass diese unzureichende Kohlenhydratzufuhr die Leistung beeinträchtigt und auch den Körper massiv schädigen kann. So ist die Knochengesundheit beeinträchtigt und in manchen Fällen weisen Sportler:innen schlechte Knochendichtewerte auf, die jemanden mit Osteopenie oder Osteoporose diagnostiziert. Ja, mehrmonatige Unterversorgung kann zu erhöhtem Osteoporoserisiko führen. Aber tiefe Kohlenhydratzufuhr und damit verbundene tiefe Kohlenhydratverfügbarkeit und oftmals auch tiefe Energieverfügbarkeit (REDs!), können weit mehr verursachen. U.a. schlechten Insulinstoffwechsel, beeinträchtigtes Blutzuckermanagement, Leistungsabfall, Amenorrhö (ausbleibende Regelblutung). Kommt es zu REDs, dann kennen wir mittlerweile viele Symptome, die dadurch verursacht werden. Im IOC Consensus Statement zum Relativen Energieangel im Sport (2023) wird auch auf die Rolle der Kohlenhydratverfügbarkeit hingewiesen. Die Tatsache, dass sie oft zu tief ist, trägt auch zu den vielen Fällen von REDs bei, da die Kalorienzufuhr unzureichend ist.

Den Traum erreichen

Der Trend der übertrieben kohlenhydratarmen Ernährung im Sport hat zu vielen Problemen beigetragen, die wir in den letzten Jahren vermehrt beobachten. Deswegen ist es im Sport wichtig, dass wir uns wieder von der Ecke der chronisch reduzierten Kohlenhydratzufuhr wegbewegen. Niemand muss übergroße Mengen an Kohlenhydraten essen, wenn das Ausmaß an sportlicher Aktivität gering ist. Aber es ist wichtig, dass bei mehr sportlicher Belastung auch mehr Kohlenhydrate aufgenommen werden. Low Carb und Höchstleistungen (samt intensiver, langer Trainingstage) funktioniert nur ganz kurz, dann beginnen die Probleme, und die bleiben vielleicht ein Leben lang. Die aktuellen Empfehlungen der Kohlenhydratzufuhr berücksichtigen unterschiedliche Belastungsintensitäten und Dauern der Einheiten. Wer diese Grundlagen richtig umsetzt, braucht keine Angst zu haben vor einer unerwünschten Gewichtszunahme. Diese Basics helfen beim Erbringen von Höchstleistungen und beim Erreichen der eigenen Träume.

Weiterführende Literatur:

Coyle et al (1991) Timing and method of increased carbohydrate intake to cope with heavy training, competition and recovery. Journal of Sports Sciences, 9:S1, 29-52, DOI: 10.1080/02640419108729865.

Jeukendrup (2014). A Step Towards Personalized Sports Nutrition: Carbohydrate Intake During Exercise. Sports Med, 44 (Suppl 1):S25–S33. DOI 10.1007/s40279-014-0148-z.

Mountjoy et al (2023). 2023 International Olympic Committee's (IOC) consensus statement on Relative Energy Deficiency in Sport (REDs). Br J Sports Med, Sep 57 (17): 1073-1097.  doi: 10.1136/bjsports-2023-106994.

Sale et al. (2015) Effect of carbohydrate feeding on the bone metabolic response to running. J Appl Physiol 119: 824–830. doi:10.1152/japplphysiol.00241.2015.

Weitere Beiträge

Hungrig nach mehr Wissen?

IMG_9269
Presse

Relative Energy Deficiency in Sports

REDs im Sport: Verstehen, verhindern und unterstützen. Ein gesunder Körper für bessere Leistung und Lebensqualität.
Jetzt lesen
Jetzt kontaktieren

Bereit, den ersten Schritt zu deinem Erfolg zu machen?

Transformiere deine Ernährung und erwecke das Beste in dir – für ein Leben voller Energie, Vitalität und sportlicher Höchstleistungen.
Danke! Ich habe deine Nachricht erhalten und antworte dir in kürze!
Judith lächelt seitlich
Ups! Da ist was schief gegangen... Schreib mir gerne eine E-Mail an info@sportnutrix.com