Über Ernährung im Biathlon liest man nicht so häufig wie über Ernährung im Marathon, aber dennoch spielt sie in beiden Sportarten eine zentrale Rolle. Sowohl die Marathonläuferin als auch die Biathletin kann durch eine ausgewogene und auf die Belastung abgestimmte Ernährung Leistung, Gesundheit, Regeneration unterstützen und fördern. Deswegen auch mein Einsatz im Biathlon und deswegen auch meine Motivation, Biathlet:innen im Bereich Ernährung mit meinem Wissen und meiner Erfahrung zu unterstützen.
Mittlerweile sind mehr als drei Jahre vergangen, seit ich zugesagt habe, die International Biathlon Union (IBU) im Bereich Ernährung zu verstärken. Es hat sich viel getan. In der Trainer:innenausbildung, in der Organisation, im Informationsangebot, in den Camps. Ernährung auf vielen Ebenen, Ernährung in vielen Überlegungen, Ernährung als Teil der Sportart Biathlon.
Journal of Biathlon Coaching
Heuer erschienen die ersten beiden Ausgaben des Journal of Biathlon Coaching. Im ersten Heft war Ernährung Teil des Inhalts. Das zeigt, dass das Bewusstsein für die wichtige Rolle der Ernährung mittlerweile auch im Biathlon angekommen ist. Was, wann und wie viel sind Schlüsselfragen, wenn es um die Energie- und Nährstoffversorgung geht. Neben der Summe der Zufuhr an einem Tag spielt auf höchstem Leistungsniveau außerdem die zeitliche Abstimmung zwischen Nährstoffzufuhr und Training eine wichtige Rolle. Das Richtige zum richtigen Zeitpunkt macht dann noch den kleinen Unterschied. So zeigt beispielsweise der Beitrag im Heft 1, was an einem Wettkampftag zu beachten ist, damit das beste Ergebnis herauskommt.
Ernährung im Trainingsalltag
Bevor es allerdings zum Wettkampf geht, stehen viele Trainingsstunden am Programm. Es sind Stunden, in denen die Ernährung eine wichtige Rolle spielt. Wie bereitet man sich als Sportler:in aufs Training vor? Wie versorgt man sich am besten im Training? Brauchen Biathlet:innen auch die 90-120 g Kohlenhydrate pro Stunde wie sie Radfahrer:innen aufnehmen? Ist das Gel wirklich notwendig oder gibt es Alternativen? Was unterscheidet das Training im Sommer vom Training im Winter bzw. gibt es da überhaupt Unterschiede? Wie regeneriere ich am besten und welche Rolle hat dabei die Ernährung? Braucht man Supplemente oder geht's auch ohne?
Dass manche dieser Fragen nicht so leicht zu beantworten und vor allem auch nicht so leicht umzusetzen sind, zeigen Beobachtungen immer wieder. Die ausreichende Versorgung im Trainingsalltag ist nicht so einfach. Manchen Athlet:innen wurde dieses Wissen nie vermittelt oder sie hatten nie die Möglichkeit, mit Expert:innen zusammenzuarbeiten. Andere haben vielleicht das Wissen, jedoch nicht die notwendigen Skills, es in der Praxis umzusetzen. Wenn der Bedarf nicht durch die entsprechende Kalorienaufnahme gedeckt wird, kann es zu Problemen kommen. Gesundheit, Leistung, Wohlbefinden können darunter leiden. Immer wieder ist in diesem Zusammenhang von Relative Energy Deficiency in Sports (REDs) zu lesen. Folgen dieses Syndroms können für die Betroffenen schlimm sein.
Ebenso ist die Qualität der Ernährung wichtig. Wer viel trainiert, braucht dementsprechend viele Nährstoffe und der Bedarf sollte durch die hohe Qualität der Ernährung gedeckt werden. Dass es möglich ist, den Bedarf durch eine gute Ernährungsweise zu decken, zeigen zahlreiche Beispiele aus dem Spitzensport. Food first ist nicht nur meine Philosophie, dieser Ansatz ist in der modernen Sporternährung ein ganz wichtiger, weil er vielen möglichen Problemen bei der häufigen Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln vorbeugt. Herausfordernd wird der Food First-Ansatz allerdings bei einer sehr einseitigen oder eingeschränkten Ernährung. Mit besseren Ernährungswissen und mit der Unterstützung durch Sporternährungsexpert:innen wird das aber hoffentlich im Biathlon ohnehin ein selteneres Problem werden.
Gute Zukunftsaussichten
Wie in vielen anderen Sportarten ist auch im Biathlon das Ernährungsbewusstsein stark gewachsen. Athlet:innen haben die Rolle der Ernährung erkannt, zudem gibt es mittlerweile viele Trainer:innen, die ebenfalls Ernährung als wichtigen Teil des Erfolges sehen. Damit bekommt Ernährung automatisch mehr Raum in den Überlegungen und Expert:innen mit einer entsprechenden beruflichen Fachausbildung in der Sporternährung werden in Teams geholt. Mancherorts finden dadurch sehr erfreuliche Entwicklungen statt. Dadurch gibt es für immer mehr Biathlet:innen die Möglichkeit, auch Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Wichtig ist, dass Athlet:innen wissen, an wen sie sich bei Fragen und Problemen wenden können. Wichtig ist weiters, dass Biathlet:innen ein Grundwissen über Ernährung im Sport haben, weil sie damit bereits viel erreichen.
Bei der IBU haben wir in den letzten Jahren bereits zahlreiche Camps abgehalten und weitere sind bereits geplant. Ideen für Informationsmaterialien und Weiterbildungsmöglichkeiten gehen nie aus, damit können alle in der Biathlon-Gemeinschaft ihr Wissen ständig erweitern. Mein Ziel ist und bleibt es, Biathlet:innen auf ihrem Weg zu unterstützen. Ernährung umfasst und wirkt in so viele Bereiche, dass es in der modernen Sportwelt nicht mehr ohne diese Komponente geht. Wir wissen so viel und haben in den letzten 20 Jahren so viel Neues dazugelernt, dass Ernährung auch im Biathlon nicht mehr wegzudenken ist.
Einen Einblick in die Ernährung liefert das kürzlich aufgezeichnete Video-Interview mit Biathlon Integrity.